Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung ist mit Wirkung zum 10.11.2016 in Kraft getreten. Darin enthalten ist eine erhebliche Erweiterung der Strafbarkeit für Übergriffe in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches | BGBl I 2016, S. 2460). Die dabei maßgeblichen Änderungen sind im Wesentlichen in der neuen Fassung des § 177 StGB (Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) festgelegt worden.
In § 177 Abs. 1 und 2 StGB wurde dabei ein neuer Grundtatbestand des “Sexuellen Übergriffs” normiert. In diesem Zusammenhang wurde auch die in der öffentlichen Meinung bereits vielfach diskutierte “Nein-heißt-Nein-Lösung” im Gesetz festgehalten. Danach wird nunmehr bereits bestraft, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt. Es folgen sodann fünf weitere Konstellationen, die auf dem Ausnutzen gewisser Situationen (Unfähigkeit bzw. erheblich eingeschränkte Fähigkeit zur Bildung oder Äußerung eines entgegenstehenden Willens, Überraschungsmoment, Drohung mit einem empfindlichen Übel: “Klima der Gewalt”) basieren. In diesem Zusammenhang werden in die Neuregelung des § 177 StGB auch die Fallbereiche des bisherigen § 179 StGB (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) und des besonders schweren Falls der Nötigung nach § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB mit aufgenommen. Die soeben erwähnten Vorschriften entfallen damit künftig.
Eine wesentliche Strafschärfung folgte des Weiteren für Fälle, in denen die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht. Diese Fallkonstellation wurde im Zuge der Gesetzesänderung als Verbrechenstatbestand mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr ausgestaltet.
Außerdem wurde mit § 184i StGB (Sexuelle Belästigung) ein neuer Straftatbestand der sexuellen Belästigung erstellt. Nach der bisherigen Rechtslage waren sexuell belästigende Übergriffe oftmals nicht strafbar, weil weder eine sexuelle Handlung noch eine Beleidigung im Sinne des Strafgesetzbuches vorlag. Diese Gesetzeslücke will der Gesetzgeber nun mit der neuen Regelung des § 184i StGB schließen.
Schließlich wurde im Nachgang der Ereignisse der Silvesternacht 2015/2016 in Köln mit dem neuen § 184j StGB (Straftaten aus Gruppen) noch ein Straftatbestand in Kraft gesetzt, der es unter Strafe stellt, dass sich eine Person an einer Gruppe beteiligt und in diesem Zusammenhang billigend in Kauf nimmt, dass diese Gruppe zur Begehung einer Straftat eine andere Person sexuell bedrängt. Der Gesetzgeber reagiert mit dieser Neuregelung auf den Umstand, dass Straftaten aus Gruppen eine erhöhte Gefahr für die jeweiligen Opfer der Taten darstellen. Dies resultiert insbesondere aus der Übermacht einer Personenmehrheit gegenüber der betroffenen Einzelperson. Ebenso ist es aufgrund des größeren Gefüges einer Gruppe leichter, aus der Gruppe heraus unerkannt Straftaten zu begehen und sodann wieder unter den anonymen Schutzmantel der Gruppe zurückzukehren. Eine Verfolgung entsprechender Straftaten wurde somit bisher teilweise erheblich erschwert und soll nun mit der Einführung des § 184j StGB besser gelingen.
Andreas Thomalla
Rechtsanwalt | Augsburg