Cannabis-Verbot auf dem Prüfstand

31 Jul 2021 | Alle Kategorien, Strafrecht - Strafverteidigung

Nach einem Nor­men­kon­troll­an­trag des Amts­ge­richts Ber­nau aus dem ver­gan­ge­nen Jahr zieht nun das Amts­ge­richt Müns­ter nach. Die Anträ­ge bezie­hen sich auf Vor­schrif­ten des Betäu­bungs­mit­tel­ge­setz­tes (BtMG) und dabei auf das Ver­bot des Besit­zes von Can­na­bis in gerin­gen Men­gen. Die­se Rege­lun­gen sei­en verfassungswidrig.

Schon im April 2020 brach­te Jugend­rich­ter Andre­as Mül­ler vom Amts­ge­richt Ber­nau einen knapp 140-sei­ti­gen Über­prü­fungs­an­trag auf den Weg nach Karls­ru­he zum Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (Beschluss vom 18.09.2019, Az. 2 Cs 226 Js 7322/219 (346/19)). Nach der Mei­nung des Rich­ters ver­let­ze die Kri­mi­na­li­sie­rung von ca. vier Mil­lio­nen Can­na­bis-Kon­su­men­ten in Deutsch­land meh­re­re Grund­rech­te, bei Erwach­se­nen unter ande­rem das “Recht auf Rausch” nach Art. 2 Abs. 1 GG. Außer­dem geht er auf die “immensen Kos­ten für Staat und Gesell­schaft für die Unver­hält­nis­mä­ßig­keit der straf­recht­li­chen Sank­tio­nen” und unter dem Aspekt des Gleich­heits­grund­rechts (Art. 3 GG) auf das Ver­hält­nis von Can­na­bis zu Alko­hol ein. Er führt an, dass die unter­schied­li­che Behand­lung von Can­na­bis gegen­über dem Umgang mit Alko­hol grob will­kür­lich sei.

Zu dem aktu­el­len Antrag des Amts­ge­richts Müns­ter kam es durch einen Straf­be­fehls­an­trag der zustän­di­gen Staats­an­walt­schaft für eine zu ver­hän­gen­de Geld­stra­fe in Höhe von 200,00 Euro. Die­se Geld­stra­fe soll­te für einen wegen ande­rer Straf­ta­ten unter Bewäh­rung ste­hen­den Her­an­wach­sen­den ver­hängt wer­den, bei dem bei einer poli­zei­li­chen Maß­nah­me 0,4 Gramm Mari­hua­na auf­ge­fun­den wur­den. Nach dem Ein­gang des Antrags bei Gericht, kamen dem Amts­rich­ter ver­fas­sungs­recht­li­che Zwei­fel. Dar­auf­hin erin­ner­te er sich an den oben erwähn­ten, durch sei­nen Rich­ter­kol­le­gen beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ein­ge­reich­ten Normenkontrollantrag. 

In sei­ner Begrün­dung ver­weist der Müns­te­ra­ner Rich­ter auch auf die Rege­lung des § 31a BtMG, der das “Abse­hen von der Ver­fol­gung” zum Bei­spiel bei Eigen­ver­brauch in gerin­ger Men­ge vor­sieht. Dabei kri­ti­siert er, dass kei­ne bun­des­ein­heit­li­che Fest­le­gung für die Anwen­dung die­ses Para­gra­phen existiere. 

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat­te sich zuletzt im Jahr 2004 mit der Kri­mi­na­li­sie­rung von Can­na­bis zu beschäf­ti­gen (Beschluss vom 29.06.2004, Az. 2 BvL 8/02). Nach Ansicht der bei­den Amts­rich­ter ist die dama­li­ge Ent­schei­dung mitt­ler­wei­le stark ver­al­tet. Nicht nur wird Can­na­bis immer mehr zu medi­zi­ni­schen Zwe­cken ver­wen­det, auch das gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Kli­ma habe sich dies­be­züg­lich geän­dert. Die Ver­ur­tei­lung eines erwach­se­nen Kon­su­men­ten wegen ein paar Gramm Haschisch oder Mari­hua­na wird von einem Groß­teil der Bevöl­ke­rung als nicht mehr zeit­mä­ßig betrachtet.

Wann genau das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über die Anträ­ge ent­schei­den wird, ist der­zeit noch völ­lig offen.

Andre­as Tho­m­al­la
Rechts­an­walt | Fach­an­walt für Straf­recht
Augs­burg