Nach einem Normenkontrollantrag des Amtsgerichts Bernau aus dem vergangenen Jahr zieht nun das Amtsgericht Münster nach. Die Anträge beziehen sich auf Vorschriften des Betäubungsmittelgesetztes (BtMG) und dabei auf das Verbot des Besitzes von Cannabis in geringen Mengen. Diese Regelungen seien verfassungswidrig.
Schon im April 2020 brachte Jugendrichter Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau einen knapp 140-seitigen Überprüfungsantrag auf den Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 18.09.2019, Az. 2 Cs 226 Js 7322/219 (346/19)). Nach der Meinung des Richters verletze die Kriminalisierung von ca. vier Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland mehrere Grundrechte, bei Erwachsenen unter anderem das “Recht auf Rausch” nach Art. 2 Abs. 1 GG. Außerdem geht er auf die “immensen Kosten für Staat und Gesellschaft für die Unverhältnismäßigkeit der strafrechtlichen Sanktionen” und unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundrechts (Art. 3 GG) auf das Verhältnis von Cannabis zu Alkohol ein. Er führt an, dass die unterschiedliche Behandlung von Cannabis gegenüber dem Umgang mit Alkohol grob willkürlich sei.
Zu dem aktuellen Antrag des Amtsgerichts Münster kam es durch einen Strafbefehlsantrag der zuständigen Staatsanwaltschaft für eine zu verhängende Geldstrafe in Höhe von 200,00 Euro. Diese Geldstrafe sollte für einen wegen anderer Straftaten unter Bewährung stehenden Heranwachsenden verhängt werden, bei dem bei einer polizeilichen Maßnahme 0,4 Gramm Marihuana aufgefunden wurden. Nach dem Eingang des Antrags bei Gericht, kamen dem Amtsrichter verfassungsrechtliche Zweifel. Daraufhin erinnerte er sich an den oben erwähnten, durch seinen Richterkollegen beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Normenkontrollantrag.
In seiner Begründung verweist der Münsteraner Richter auch auf die Regelung des § 31a BtMG, der das “Absehen von der Verfolgung” zum Beispiel bei Eigenverbrauch in geringer Menge vorsieht. Dabei kritisiert er, dass keine bundeseinheitliche Festlegung für die Anwendung dieses Paragraphen existiere.
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich zuletzt im Jahr 2004 mit der Kriminalisierung von Cannabis zu beschäftigen (Beschluss vom 29.06.2004, Az. 2 BvL 8/02). Nach Ansicht der beiden Amtsrichter ist die damalige Entscheidung mittlerweile stark veraltet. Nicht nur wird Cannabis immer mehr zu medizinischen Zwecken verwendet, auch das gesellschaftliche und politische Klima habe sich diesbezüglich geändert. Die Verurteilung eines erwachsenen Konsumenten wegen ein paar Gramm Haschisch oder Marihuana wird von einem Großteil der Bevölkerung als nicht mehr zeitmäßig betrachtet.
Wann genau das Bundesverfassungsgericht über die Anträge entscheiden wird, ist derzeit noch völlig offen.
Andreas Thomalla
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht
Augsburg