Mit dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 27.02.2017 galten Raser erstmals als Mörder. Dieses vielfältig diskutierte Urteil hat der Bundesgerichtshof nun mit seinem Urteil vom 01.03.2018 (Az. 4 StR 399/17) aufgehoben.
Die Berliner Richter hatten damit argumentiert, dass niemand, der mit dem Dreifachen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mehrere rote Ampeln in der Berliner Innenstadt überfährt, ernsthaft davon ausgehen könne, es werde bei dieser Fahrweise nichts passieren. Somit wurde der bedingte Tötungsvorsatz bejaht.
Der Ansatz der Revision ging nun dahin, dass den beiden Angeklagten damit zwei sich widersprechende Bewusstseinszustände unterstellt worden sind: Zum einen seien sich die beiden Männer darüber im Klaren gewesen, dass sie einen tödlichen Unfall verursachen könnten. Zum anderen hätten sie die Gefahr für sich selbst ausgeblendet.
Das Landgericht Berlin hatte dieses paradoxe Ergebnis wie folgt begründet: Fahrer, die in derartig getunten Fahrzeugen säßen, fühlten sich darin sicher wie in einem Panzer.
Genau diese Argumentation ließ der Bundesgerichtshof nun nicht gelten. Das Landgericht Berlin sei in diesem Zusammenhang von einer allgemeinen Annahme ausgegangen. Richtig wäre an dieser Stelle die Prüfung der subjektiven Sicht der Angeklagten gewesen.
Des Weiteren sah der Bundesgerichtshof darin einen Widerspruch in Bezug auf die Verurteilung wegen Körperverletzung. Der Tatbestand der Körperverletzung sei — neben dem Mord — durch den durch den Unfall erlittenen Gesundheitsschaden der Mitfahrerin erfüllt worden. Dafür nahm das Landgericht Berlin an, dass den Angeklagten bewusst gewesen sein müsse, dass Sie die Mitfahrerin gefährden.
Letzten Endes sah der Bundesgerichtshof noch einen Rechtsfehler in folgender Formulierung des Berliner Landgerichts: Den Angeklagten sei es „spätestens“, als sie in die Unfallkreuzung rasten, bewusst gewesen, dass sie andere Verkehrsteilnehmer töten könnten. Doch da war es ohnehin bereits zu spät, niemand hätte mehr rechtzeitig bremsen können.
Die Vorsitzende Richterin des 4. Strafsenats Sost-Scheible erklärte das Problem beispielhaft wie folgt: Jemand stößt vor lauter Übermut einen Felsbrocken einen Berg herab. Während der Fels bereits rollt, sieht er, dass unten im Tal sein Erzfeind steht, und denkt sich: „Das trifft sich gut.“ Dennoch wird er nicht wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt, da die eigentliche Tat, das Hinabstoßen des Felsbrockens, noch ohne Vorsatz erfolgte.
Der Bundesgerichtshof verweist schließlich das Verfahren zurück nach Berlin an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Dort wird dann erneut über den Fall zu entscheiden sein. Mit welchem Ergebnis ist derzeit völlig offen.
Andreas Thomalla
Rechtsanwalt | Augsburg