Mit dem aktuellen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts — kurz BayObLG — vom 03.06.2022 (Az.: 207 StRR 155/22) wurde nun entschieden, dass das Vorlegen von gefälschten Impfpässen in Apotheken, um ein Covid-19-Impfzertifikat zu erlangen, im Zeitraum vor dem 24.11.2021 mangels gesetzlicher Grundlage nicht strafbar ist. Bis zu einer klärenden Entscheidung durch den Bundesgerichtshof ist dieser Beschluss daher maßgebend für Ermittlungsverfahren innerhalb des Freistaates Bayern.
Das BayObLG sieht in der Zeit bis zur Gesetzesänderung Ende November 2021 keinen Straftatbestand erfüllt. Dieser wegweisenden Entscheidung lag ein Urteil des Amtsgerichts Landsberg am Lech zugrunde, mit dem ein Mann wegen der Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.500,- Euro verdonnert wurde. Dieses Urteil aus Landsberg wurde durch das BayObLG aufgehoben. Nach Ansicht der Münchner Richter handelte es sich dabei gerade nicht um eine strafbare Urkundenfälschung. Der Impfpass gilt rechtlich gesehen nicht nur als Urkunde, sondern auch als Gesundheitszeugnis. Für Gesundheitszeugnisse gab es bis zu der Gesetzesänderung am 24.11.2022 speziellere Normen im Gesetz.
Voraussetzung für die Fälschung von Gesundheitszeugnissen ist das Vorlegen dieser Dokumente vor Behörden oder Versicherungsgesellschaften. Da Apotheken keine Behörden im Sinne des § 277 StGB sind, ist das Vorlegen des Impfpasses bei Apotheken nach der alten Gesetzesfassung nicht strafbar. Auch eine Strafbarkeit nach den §§ 74 Abs. 2, 75a Abs. 3 Nr.1 IfSG sei nicht gegeben, da die Verfälschung des Impfausweises nicht durch eine sog. “berechtigte Person“ erfolgt. Berechtigte Personen im Sinne dieser Norm sind lediglich Ärzte sowie Apotheker.
Dem BayObLG zufolge scheidet auch eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB aus, da dieser Tatbestand von der spezielleren Norm des § 277 StGB verdrängt wird. Ein Rückgriff auf die allgemeinere Norm kommt nicht in Betracht, da das Vorliegen einer privilegierenden Spezialität dies verbietet. Dies kann auch nicht durch einen angeblich entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers in Frage gestellt werden, da dem Gesetzgeber bei der Neuschaffung der §§ 277 ff. StGB durchaus bewusst gewesen sei, dass diese zuvor nicht mehr zeitgemäß und frei von Widersprüchen zu anderen Vorschriften gewesen sind.
Andreas Thomalla
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht
Augsburg